Der alte Chef kann nicht loslassen – das kann man tun

14. August 2025

Ein Generationenwechsel in der Chefetage steht irgendwann jedem Unternehmen bevor. Häufig geht das nicht ohne Konflikte über die Bühne. Insbesondere, wenn der Senior-Chef weiterhin den Kurs bestimmen möchte.

Die Generation der Baby-Boomer kommt langsam ins Rentenalter. Damit steht bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Nachfolgeregelung an. Bis zum Jahr 2028 rechnet die KfW damit, dass mehr als 500.000 Unternehmen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin suchen. Doch nicht jeder Unternehmer wechselt freudig vom Chefsessel auf den Tennisplatz – häufig wird die Nachfolge immer weiter herausgezögert. Das ist nur menschlich, schließlich haben Gründer ihr Unternehmen geprägt und über ein ganzes Arbeitsleben zu dem gemacht, was es ist. Das Lebenswerk in andere Hände zu übergeben, fällt dann schwer. Selbst wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin für die Nachfolge gefunden wurde, bleibt der ehemalige Chef häufig präsent – und mischt sich nicht selten weiterhin in Entscheidungen ein. Kompetenzstreitigkeiten sind damit vorprogrammiert.

Das unterstreicht auch eine österreichische Studie, in der 63 Prozent der Befragten angeben, dass Konflikte mit den verbleibenden Senior-Unternehmerinnen oder -Unternehmern eines der Hauptproblemfelder bei Betriebsübergängen sind.

Im Jahr 2013 wurden rund 60 Prozent der Unternehmen innerhalb der Familie übergeben – zehn Jahre später sind es nur noch 36 Prozent. Unserer Erfahrung nach als Personalberater ist es für die eigenen Kinder meist schwieriger in der neuen Rolle anzukommen. Schließlich müssen sie sich nicht nur gegenüber dem Ex-Chef beweisen, sondern auch dem Vater. In vielen Fällen arbeiten die Kinder bereits im Betrieb mit, der Seniorchef schiebt die tatsächliche Übergabe dann aber immer weiter hinaus. Daher sollte klar geregelt sein, ab welchem Zeitpunkt der Nachfolger die alleinige Entscheidungsbefugnis hat und welche Rolle der alte Inhaber spielen kann. Das sollte auch innerhalb der Belegschaft kommuniziert werden.

Kompetenzstreitigkeiten lassen Übergaben oft scheitern

Wir von BECKER + PARTNER erleben es häufig, dass trotz offizieller Übergabe der alte Chef weiterhin über „seine“ Firma bestimmen will. Für die junge Generation wiederum ist es frustrierend, wenn ihre Kompetenz in Frage gestellt wird oder neue Ideen auf taube Ohren stoßen.

Doch auch wenn ein Nachfolger innerhalb oder außerhalb des Unternehmens gefunden wurde, kann es Konflikte geben, wenn die Rollen nicht im Vorfeld klar geregelt sind. Es gibt genug Beispiele, dass Senior-Chefs – meist sind es Chefs, die nicht loslassen können, seltener Chefinnen – auch ihrem selbstgewählten Nachfolger weiter Vorgaben machen, wie die Firma zu führen ist. Zahlreiche Studien belegen, dass eine große Zahl der Firmenübergaben innerhalb der ersten fünf Jahre scheitert, weil der alte Chef sich nicht wirklich von seinem Unternehmen trennen kann.

Anerkennung der Lebensleistung

Für die Nachfolger ist es oft ein Balanceakt: Einerseits die Firma in die Zukunft zu führen und dafür eventuell Entscheidungen zu treffen, die der alte Chef nie getroffen hätte, andererseits der Lebensleistung des Vorgängers Respekt zu zollen. Hinzu kommt, dass es hilfreich ist, Wissen und Erfahrung des alten Chefs weiterhin im Unternehmen zu halten.

Gegenseitiges Verständnis ist eine gute Grundlage, dass der Übergang funktionieren kann. Oft hilft dabei auch eine Beraterfirma wie BECKER + PARTNER, die auf Unternehmensnachfolge spezialisiert ist. Sie betrachtet die Konflikte unvoreingenommen und kann so zu Lösungen beitragen. Von einer externen Firma lässt sich ein Patriarch meist auch eher etwas sagen, als von den eigenen Kindern.

Denkbar sind auch Beraterverträge für den ehemaligen Chef. Darin sollte jedoch festgehalten werden, dass die Beraterleistung durch den neuen Chef aktiv angefordert werden muss. Alternativ kann man gemeinsam eine Aufgabe suchen, die sinnstiftend ist, aber nicht mehr in die Entscheidungen der Chefetage eingreift. Ein Mentoring für junge Fachkräfte oder die Förderung gemeinnütziger Programme sind nur zwei Beispiele. Auch Aufgaben außerhalb des Unternehmens sind denkbar, so dass die Erfahrung der Unternehmer anderen zugutekommen kann – sei es als Coaches für junge Gründerinnen und Gründer oder an Schulen oder Hochschulen im Bereich Wirtschaft. Manche ehemalige Firmenchefs starten noch einmal richtig durch, wenn sie eine neue Aufgabe finden, für die sie sich engagieren können.

Als Personalberatung sehen wir es als entscheidenden Faktor an, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Zehn Jahre Vorlauf empfiehlt auch die IHK, denn neben der emotionalen Komponente sind finanzielle, steuerliche und rechtliche Aspekte zu beachten. Und schließlich gibt es potentielle Nachfolger nicht im Überfluss. Junge Leute haben oft wenig Interesse, eine Firma zu leiten, viele Unternehmerkinder gehen lieber eigene berufliche Wege. Schon heute machen immer mehr Firmen zu, weil niemand sie übernimmt. Daher sollten Senior-Chefs sich frühzeitig auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger machen – und sich dann auch tatsächlich zurückziehen.

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