Wenn der Arbeitgeber insolvent wird – diese Schritte sind wichtig
30. Dezember 2024
Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland nimmt zu. Viele Beschäftigte sorgen sich um ihren Job. Doch nicht jede Insolvenz bedeutet, dass der Job gleich weg ist. Betroffene sollten auf jeden Fall einen kühlen Kopf bewahren und sich im Zweifel beraten lassen.
Vor kurzem hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) aktuelle Zahlen zu Insolvenzen in Deutschland veröffentlicht: Insgesamt kam es im September zu 1.303 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften. Das sind zwei Prozent mehr als im Monat davor und 28 Prozent mehr als im September 2023. Im Zeitraum von Juni bis September gab es fast 4.000 Firmenpleiten – und damit die höchste Zahl, die seit 14 Jahren in einem Quartal registriert wurde. Die Insolvenzen im September kosteten 23.000 Stellen. Beunruhigende Zahlen also, und viele Angestellte machen sich Gedanken, was im Falle einer Insolvenz ihres Arbeitgebers zu tun ist.
Was bedeutet Insolvenz für Arbeitnehmer?
Ein Unternehmen ist insolvent, wenn es seine Schulden oder finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Dann wird normalerweise ein Insolvenzantrag beim Amtsgericht gestellt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Beschäftigte sofort auf der Straße stehen: Die Insolvenz an sich ist kein Kündigungsgrund. Das Insolvenzrecht bietet hier Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und garantiert eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende. Ausnahmen sind lediglich möglich, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag kürzere Kündigungsfristen stehen. Sobald ein Unternehmen Insolvenz beantragt, ist es verpflichtet, die Belegschaft darüber zu informieren.
Bei einer Betriebsstilllegung sind betriebsbedingte Kündigungen unumgänglich. Sie können aber auch ausgesprochen werden, wenn es nicht genügend Aufträge gibt oder wenn das Unternehmen damit gerettet werden kann. Vom Amtsgericht bestellte Insolvenz- oder Sachwalter prüfen, welche Optionen für das Unternehmen in Frage kommen.
Auch bei betriebsbedingten Kündigungen während eines Insolvenzverfahrens gelten die gesetzlichen Bestimmungen, dass beispielsweise eine Sozialauswahl stattfinden muss und der Betriebsrat angehört werden muss. Außerdem gibt es wie bei jeder Kündigung die Möglichkeit, dagegen zu klagen. Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden.
Aufhebungsverträge und Abfindungen
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer warten nicht auf den Ausgang des Insolvenzverfahrens und suchen sich gleich einen neuen Job. Dann können sie mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag abschließen und gegebenenfalls eine Abfindung aushandeln. Allerdings werden nur Ansprüche aus Abfindungen, die nach dem Insolvenzantrag entstanden sind, bevorzugt behandelt. Für die Zahlung von Abfindungen aus der Zeit davor sieht es meist schlecht aus. Wir von BECKER + PARTNER raten daher dazu, ein Rücktrittsrecht vom Aufhebungsvertrag zu vereinbaren – für den Fall, dass die Abfindung nicht gezahlt wird.
Insolvenzgeld gleicht nichtgezahlte Löhne aus
Insolvenzen kommen selten aus dem Nichts. Häufig haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon seit Monaten keinen Lohn erhalten. Hier hilft das Insolvenzrecht, denn sobald offiziell ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, haben Beschäftigte Anspruch auf Insolvenzgeld. Bei Insolvenzverfahren haben offene Lohnforderungen sowie die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge Vorrang vor anderen Forderungen.
Das Insolvenzgeld dient als Ersatz für ausgebliebene Lohnzahlungen. Normalerweise wird es für die letzten drei Monate vor Eröffnung der Insolvenz gezahlt. Hier sind die Beschäftigten in der Pflicht, das Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit zu beantragen. Der Antrag sollte innerhalb von zwei Monaten nach der Insolvenz gestellt werden. Die Höhe des Insolvenzgeldes orientiert sich in der Regel am Nettoeinkommen der Beschäftigten. Es gibt jedoch eine Höchstgrenze, die derzeit bei 6.900 Euro brutto im Monat liegt. Wenn ein Insolvenzverfahren des Arbeitgebers läuft, sind Beschäftigte weiterhin verpflichtet zur Arbeit zu kommen. Das gilt auch dann, wenn der Lohn bereits mehrere Monate nicht mehr bezahlt wurde.
Ansprüche auf Löhne aus der Zeit vor einem Insolvenzantrag sind häufig schwieriger durchzusetzen, da den Unternehmen in der Regel die entsprechenden Mittel fehlen. In solchen Fällen sollten Betroffene sich von einem Rechtsbeistand beraten lassen. Nach drei Monaten endet der Anspruch der Beschäftigten auf Insolvenzgeld.
Wie sieht es mit Überstunden und Urlaub aus?
Überstunden, die vor dem Zeitpunkt des Insolvenzantrags geleistet wurden, müssten wie normale Lohnforderungen bezahlt werden. Die Frage ist, ob das Unternehmen über ausreichende Mittel verfügt, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen. Im Zweifel hilft auch hier eine anwaltliche Beratung. Bei Überstunden, die nach der offiziellen Insolvenz geleistet werden, sieht es schlecht aus mit einer Bezahlung, da sie normalerweise nicht von der Insolvenzmasse gedeckt sind.
Urlaub, der bereits genehmigt ist, kann auch bei einer Insolvenz genommen werden. Der Insolvenzverwalter kann genehmigten Urlaub nur zurücknehmen, wenn die Anwesenheit eine wirtschaftliche Notlage abwendet.
Arbeitszeugnis ausstellen lassen
Zwar muss ein Insolvenzverfahren nicht zwangsläufig mit einer Kündigung enden, dennoch empfehlen wir aus Sicht einer Personalberatung sich auf jeden Fall frühzeitig ein Arbeitszeugnis ausstellen zu lassen. Das kann man beim Insolvenzverwalter verlangen.