Generationenwechsel in Unternehmen – immer mehr Betriebe finden keinen Nachfolger
14. Oktober 2021
Jedes Jahr wollen sich laut der KfW rund 75.000 Firmeninhaber in Deutschland aus ihrem Betrieb zurückziehen. Doch einen Nachfolger zu finden wird immer schwieriger – Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind schon jetzt deutlich zu spüren. Und die eigenen Kinder haben oft andere Pläne. Viele Senior-Chefinnen und -Chefs müssen ihren Ruhestand daher wohl verschieben, weil kein geeigneter Übernahmekandidat in Sicht ist.
99,5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland gehören zum Mittelstand. Davon sind 93 Prozent Familienbetriebe. Während es früher jedoch als ausgemacht galt, dass der Betrieb in der Familie bleibt, geht heute nur noch etwa jedes dritte Unternehmen an die nächste Generation. Doch auch die Suche nach einem Nachfolger außerhalb der Familie ist nicht so einfach. Denn auf die vielen älteren Unternehmer, die sich in den Ruhestand verabschieden wollen, kommen immer weniger Junge, die den Betrieb übernehmen könnten: Seit 2002 hat sich die Zahl der Inhaber über 55 Jahre verdoppelt – die Zahl jüngerer Unternehmer dagegen hat sich im selben Zeitraum halbiert. Und das Problem verschärft sich noch mal, wenn zwischen 2025 und 2035 die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen.
Betriebsübergabe gehört zu Top-3-Themen
Das Thema brennt also unter den Nägeln. Inzwischen ist es auch ganz oben in der Prioritätenliste der Unternehmen angekommen. Lediglich Digitalisierung und Fachkräftemangel sind noch dringender als die Frage der Betriebsübergabe, wie eine Studie der Research-Abteilung der KfW zeigt. Wie dringend es ist, zeigt sich auch daran, dass immer mehr Firmeninhaber Unterstützung suchen. Doppelt so viele Beratungsgespräche zählen die Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK) für das Jahr 2019 im Vergleich zu 2010. Erleichterung könnte ein Bürokratieabbau bringen: Im DIHK-Nachfolgereport 2020 klagen fast 60 Prozent der Befragten über den Papierkram bei der Betriebsübergabe. Auch Änderungen bei der Erbschaftssteuer oder der Grunderwerbssteuer erschweren Unternehmerinnen und Unternehmern den Weg in den Ruhestand.
Entscheidend ist jedoch, dass sich Inhaberinnen und Inhaber frühzeitig um die Nachfolge kümmern. Wer kurz vor dem Ruhestand überlegt, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, ist mit Sicherheit zu spät dran. Immerhin – knapp 60 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer geben in der KfW-Umfrage an, sich bereits mit dem Rückzug aus dem Geschäft zu beschäftigen. Das sind so viele wie noch nie. Zwei Drittel der Übergabewilligen haben im vergangenen Jahr den Wechsel bereits perfekt gemacht oder waren zumindest schon in konkreten Gesprächen. Ein nicht unerheblicher Teil allerdings hatte zum Umfragezeitpunkt noch gar nicht angefangen den Ausstieg zu organisieren. Dann kam auch noch die Corona-Krise dazu. Seitdem geht es für eine Reihe von Unternehmern erst einmal um das Überleben ihrer Firma. Und Nachfolger überlegen, ob sie eine Übernahme riskieren. Viele Unternehmen haben ihre Nachfolgebemühungen daher erstmal aufgeschoben.
Wer zu spät kommt, findet kaum einen Nachfolger
Eine erfolgreiche Nachfolge, so rechnen die Experten der IHK, braucht ungefähr zwei bis fünf Jahre Vorbereitung. Wobei Eigentümer möglichst schon zehn Jahre vor dem geplanten Ruhestand über den Rückzug aus dem Geschäft nachdenken sollten. Schließlich gibt es viel zu planen. Beispielsweise, welche Form des Betriebsübergangs am besten passt und bis wann sie den Chefsessel endgültig räumen wollen. Zu den häufigsten Modellen gehört nach Erhebungen der KfW inzwischen der Verkauf an einen externen Interessenten – 45 Prozent der Firmeninhaber entscheiden sich dafür. Wichtig ist daher eine realistische Bewertung des Unternehmens, denn eine überzogene Preisvorstellung verprellt potentielle Interessenten. Im besten Fall einigen sich beide Parteien zudem auf einen gleitenden Übergang, so dass der Nachfolger Firma und Personal schon mal kennenlernen kann.
KfW-Chefsvolkswirt: „Die Gründerzahlen sinken seit Jahren“
Einfacher ist es natürlich, wenn der neue Inhaber die Abläufe im Betrieb sowie Kunden oder Zulieferer schon kennt. Deswegen suchen immer mehr Inhaber innerhalb der Belegschaft nach geeigneten Kandidaten. Der scheidende Chef weiß dann, woran er ist und kann seinen Wunschnachfolger gezielt auf die neue Rolle vorbereiten. Schließlich ist kaum einem Gründer egal, was nach seinem Abgang aus der Firma wird.
Nicht immer gelingt es in den eigenen Reihen jemand zu finden, der nicht nur das nötige Potential hat, sondern auch Verantwortung für einen Betrieb übernehmen möchte. Dann bleibt nur die Suche nach einem Unternehmensnachfolger von außen. Das wird aber ebenfalls immer schwieriger, erklärt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe: „Die Gründerzahlen sinken seit Jahren.“ Vor allem im Handel und der Gastronomie ist die Schere groß zwischen Senior-Unternehmern, die den Ruhestand vor Augen haben, und potentiellen Übernahmekandidaten. Besser sieht es nach KfW-Angaben bei Industriebetrieben aus – hier gibt es nach wie vor eine große Zahl von Übernahmewilligen. Allerdings sind diese Zahlen nur Schätzungen – genaue Daten gibt es nicht. Daher rechnet das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) zumindest für die Zeit bis 2022 damit, dass die Nachfolgerlücke noch nicht so dramatisch ist.
Nachfolgesuche im Internet
Doch problematisch bleibt die Zeit danach. Umso wichtiger ist es, übergabewillige Unternehmerinnen und Unternehmer mit potentiellen Nachfolgern zusammenzubringen. Im Netz gibt es zahlreiche Nachfolgebörsen. Eine davon ist die Plattform nexxt-change.de, die das Bundeswirtschaftsministerium im Jahr 2006 gemeinsam mit Unternehmensverbänden und Banken gestartet hat. Auch die Industrie- und Handelskammern stehen mit Rat und Tat zur Seite. In allen Bundesländern bieten sie Seminare und Workshops zu dem Thema an. Darüber hinaus haben sich ganze Firmen auf dieses stark wachsende Geschäft spezialisiert. Sie betreuen die Nachfolge von der Kandidatensuche bis zur Schlüsselübergabe. Je nach Art des Geschäfts kann aber auch ein Inserat auf einer Anzeigenplattform erfolgreich sein.
Ohne Perspektive fehlt die Innovation
Für ein Unternehmen kann eine fehlende Regelung für eine Unternehmensnachfolge gleich doppelt negative Folgen haben. Zum einen bremst es die Bereitschaft zu investieren, wenn noch kein Nachfolger in Sicht ist. Das zeigt der KfW Report. Ist dagegen der Betriebsübergang in den kommenden zwei Jahren schon unter Dach und Fach, wird auch wieder Geld ausgegeben. Das durchschnittliche Investitionsplus liegt dann bei rund 40 Prozent. Zum anderen könnten Chefinnen und Chefs am Ende vor der Wahl stehen, den Betrieb ganz stillzulegen oder weiterzuarbeiten bis sich doch noch ein geeigneter Kandidat findet. Aber der Ruhestand rückt dann in immer weitere Ferne.