Nachfolgeregelung – wenn ein neuer Chef kommt

1. November 2021

Ein Wechsel im Chefsessel sorgt immer für gemischte Gefühle bei der Belegschaft: Große Hoffnungen und Vorfreude auf der einen Seite, lange Gesichter und Sorgenfalten auf der anderen. War der alte Chef beliebt, ist die Skepsis gegenüber dem Nachfolger meist noch größer. Damit der Start mit dem neuen Team gelingt, sollte der oder die Neue daher ein paar Dinge beherzigen.

100 Tage – das ist die magische Marke für eine erste Bilanz, sei es für eine neue Regierung oder neue Vorgesetzte. Diese Schonfrist sollte ein neuer Chef oder eine neue Chefin auch nutzen – und bloß nicht alles sofort über den Haufen werfen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der berühmte frische Wind sich schnell wie ein Orkan anfühlt, der durchs Büro tobt. Und dabei im schlimmsten Fall viel Schutt hinterlässt.

Bloß keine Schnellschüsse

Karriere-Coaches raten frischgebackenen Führungskräften, sich in den ersten vier bis sechs Wochen zunächst mal ein Bild vom Unternehmen zu machen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kennenzulernen und Prozesse zu beobachten. Wilder Aktionismus in den ersten Tagen und Wochen führt dagegen häufig dazu, dass sich das Team überfahren fühlt und den Eindruck bekommt, seine Arbeit in der Vergangenheit wird nicht wertgeschätzt.

Wertschätzung und Respekt sind jedoch die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und darum geht es ja den neuen Vorgesetzten. Auch für den Berliner Diplom-Psychologen und Buchautor Jürgen Hesse ist die erste Beobachtungsphase entscheidend: „Der neue Chef muss das Vertrauen des Teams gewinnen und sich einen Eindruck verschaffen, wem er was zutrauen kann.“ Umgekehrt kann ein neuer Chef ruhig auch mal zugeben, dass er unsicher ist, findet der Unternehmens-Coach Bob Schneider vom Berner Institut für Emotionale Intelligenz. Denn Offenheit schafft ebenfalls Vertrauen.

Allerdings – ein neuer Chef steht häufig für Umbau. Deswegen ist es naheliegend, dass die Menschen sich um ihren Job sorgen und wissen wollen, wie es weitergeht. Auch wenn es unbequem ist, sollte ein neuer Vorgesetzter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frühzeitig sagen, was sie erwartet und damit auch Sicherheit geben.

Führungskräfte scheitern meist an mangelnder Kommunikation

Ohnehin ist Kommunikation das A und O für Führungskräfte – das gilt nicht nur für Neulinge im Chefsessel. Nicht umsonst ist es eines der Top-Themen auf Führungskräfteseminaren. Die Praxis zeigt, erfolgreiche Chefinnen und Chefs sind gute Kommunikateure. Gescheiterten Chefs fehlt diese Fähigkeit meistens. Aber nicht nur Reden gehört zur Kommunikation, sondern auch Zuhören. Das vergessen Vorgesetzte oft – obwohl in Mitarbeiter-Umfragen der Wunsch nach Führungskräften, die zuhören und sie Ernst nehmen, ganz weit oben steht. Das gilt insbesondere für die Generation Z, wie eine Studie des Karrierenetzwerks LinkedIn zeigt.

Für Klaus Becker hat das „Nicht-Zuhören-Können“ mit einer falschen Auffassung von Management zu tun: Zuhören wird da mit Passivität gleichgesetzt. Dabei, so sein Fazit, führt genau das zu Missverständnissen und Fehlentscheidungen. Ein neuer Vorgesetzter sollte sich daher die Zeit nehmen, jedes einzelne Teammitglied kennenzulernen und konkret nach Erwartungen und Ideen fragen.

Wie soll die Zusammenarbeit aussehen?

Der eine Chef will über jeden Schritt informiert sein, dem anderen reicht ein Zwischenstand alle paar Tage oder Wochen: Wichtig ist, dass gerade neue Vorgesetzte die Spielregeln gleich am Anfang klarstellen, damit jeder weiß woran er ist. Vor zu viel Detailversessenheit warnen Personalexperten jedoch. Denn das raubt Zeit für die eigentlichen Führungsaufgaben und – schlimmer noch – frustriert die Mitarbeitenden. Sie bekommen das Gefühl, keine Entscheidung selber treffen zu können.

Gute Vorgesetzte müssen auch gar nicht selbst für jedes Problem eine Lösung haben oder Experte für jeden Bereich sein. Dafür haben sie ihre Spezialisten im Team. Das sollte ein neuer Chef erkennen und auch fördern. Denn, betont K. Becker, es sind selten Fachthemen, die Probleme bereiten, sondern in erster Linie Zwischenmenschliches.

 

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