Homeoffice oder Präsenzpflicht: Warum Unternehmen sich Elon Musk nicht zum Vorbild nehmen sollten
20. Juni 2022
Viele Unternehmen kämpfen damit, ihre Beschäftigten wieder zurück ins Büro zu holen, obwohl die Homeoffice-Pflicht in Deutschland seit Ende März nicht mehr gilt. Tesla-Chef Elon Musk geht da rigoros vor und droht allen, die weiter zuhause arbeiten, mit Kündigung. Doch die Arbeitswelt hat sich gewandelt: Zu wenig Flexibilität bei Arbeitsort und Arbeitszeit vergrault gesuchte Fachkräfte.
Eine E-Mail des Tesla-Gründers hat vor kurzem für viel Wirbel gesorgt. Darin kündigte Musk an, dass jeder, der nicht mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro erscheine, das Unternehmen verlassen muss. Der Elektroauto-Pionier ist offensichtlich kein Fan von Homeoffice. Ganz im Gegensatz zu den meisten Beschäftigten in Deutschland. Kaum jemand möchte die Arbeit von zuhause aus missen – zumindest nicht an fünf Tagen in der Woche. Nur 13 Prozent wünschen sich einer Umfrage zufolge die vollständige Rückkehr ins Büro.
Zu wenig Flexibilität als Kündigungsgrund
Die Corona-Pandemie war zweifellos ein Turbo für den Wandel in der Arbeitswelt. Der Wunsch nach mehr Flexibilität, gerade bei Arbeitszeit und Arbeitsort, ist nicht mehr wegzudenken. Insbesondere die Millennials sind da kompromisslos: Ohne Homeoffice-Option würde jeder Dritte von ihnen überlegen zu kündigen. Doch auch quer durch alle Altersgruppen sind Präsenzpflicht und starre Arbeitszeiten für mehr als die Hälfte der Beschäftigten ein Kündigungsgrund. Das belegt eine internationale Umfrage der Unternehmensberatung EY und deckt sich mit unserer Erfahrung aus der Personalberatung.
Hybride Arbeitsmodelle sind die Zukunft
Den Wunsch, Arbeitsort und Arbeitszeit selbst zu bestimmen, hören wir als Personalberater in Kandidaten-Gesprächen sehr häufig. In unseren Augen ist das nur zeitgemäß. Viele Arbeiten lassen sich problemlos von zuhause aus erledigen. Zwei oder drei Tage im Büro sind ideal, damit der Teamgedanke nicht leidet und man gemeinsam vor Ort neue Ideen entwickeln kann. Im Werben um junge Talente werden Unternehmen unserer Meinung nach daher nicht umhinkommen, hier größere Flexibilität an den Tag zu legen.
Zahlreiche Unternehmen haben bereits reagiert und bieten hybride Modelle an mit festen Präsenztagen. Bei einigen großen IT-Unternehmen können die Beschäftigten wählen, ob sie durchweg zuhause oder im Büro arbeiten wollen. Und damit die Menschen sich wieder annähern und Lust aufs Büro bekommen, lassen sich viele Firmen etwas einfallen. Sie locken mit Team-Events wie Schnitzeljagden, Kochkursen oder Konzerten.
Nicht auf Homeoffice-Option verzichten
Flexibilität hat auch eine Kehrseite: Gewerkschaften warnen vor der Entgrenzung der Arbeit, wenn ständige Erreichbarkeit zur neuen Normalität wird. Zudem berichten viele Beschäftigte, dass sie im Homeoffice mehr Stunden arbeiten als vertraglich festgelegt. Anderen fehlt der Kontakt zu den Kollegen. Fehlenden Kontakt beklagen auch einige Unternehmer, wenn auch aus anderen Gründen: Für sie ist der persönliche Austausch entscheidend für kreative Prozesse. Außerdem tun sich Führungskräfte oft schwer damit, die Kontrolle abzugeben.
Genau das wünschen sich die Mitarbeitenden jedoch, wie eine Vielzahl von Studien belegt. Im jüngsten Work-Happiness-Report nennen 89 Prozent aller Befragten Vertrauen als eines der wichtigsten Kriterien, um im Job glücklich zu sein. Im Homeoffice können sich die Menschen ihre Arbeit außerdem besser einteilen – auch das führt zu mehr Zufriedenheit im Job. Was Personalexperten gerne hören dürften: Für ein Mehr an Flexibilität ist über die Hälfte der Arbeitnehmer sogar bereit Abstriche beim Gehalt zu machen.
Homeoffice ist eine Erfolgsgeschichte
Während der vergangenen zweieinhalb Jahre haben wir gesehen, dass Homeoffice für viele Berufe machbar ist, und es wenig Argumente dagegen gibt. Die Produktivität der Unternehmen hat nicht gelitten und die Beschäftigten waren froh, ohne zu viele Unterbrechungen konzentriert ihrer Arbeit nachgehen zu können. Zudem hat sich gezeigt, dass die Kreativität im Homeoffice keineswegs leidet. Selbst die Einsamkeit bei der Heimarbeit hat durch virtuelle Socializing-Maßnahmen nicht überhandgenommen.
Unternehmen, die als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden wollen, sollten aus unserer Sicht daher umsichtiger sein als Musk, und den Wünschen ihrer Beschäftigten nach mehr Flexibilität unbedingt entgegenkommen.