Mit geschlechtergerechten Stellenanzeigen mehr Fachkräfte ansprechen

16. März 2023

Schon lange richten sich Stellenanzeigen an Männer und Frauen sowie andere Identitäten. Aber eine geschlechtergerechte Stellenanzeige ist mehr als hinter der Jobposition noch „männlich, weiblich, divers“ zu vermerken. Eine Reihe von Adjektiven schrecken beispielsweise Frauen eher ab. Das sollten Personalverantwortliche bei der Formulierung berücksichtigen. Sonst schließen sie schon mit der Anzeige eine hohe Zahl möglicher Kandidatinnen aus.

Die Abkürzungen m/w/d sind mittlerweile der Klassiker, um alle Geschlechter anzusprechen. Manche Personalverantwortliche nutzen auch das Gendersternchen, einen Unterstrich oder ein Y am Ende der Berufsbezeichnung, um damit Geschlechtsneutralität zu zeigen. Damit sind die rechtlichen Anforderungen erstmal abgedeckt, denn Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, Stellenangebote diskriminierungsfrei zu formulieren. Doch letztlich soll die Jobbeschreibung möglichst viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber anziehen. Genau da sehen wir als Personalberater häufig noch Luft nach oben.

Wer nach zielstrebigen oder analytischen Persönlichkeiten sucht, punktet eher bei Männern, wie eine Studie der TU München herausgefunden hat. Denn solche Adjektive sprechen klassischerweise Männer an. Als typisch weiblich sahen die Befragten dagegen Adjektive wie „engagiert“ und „zuverlässig“ an. Wer Frauen erreichen möchte, sollte zudem moderne Jobbezeichnungen verwenden. Per Eyetracking-Studie hat das Internetportal Jobware nachgewiesen, dass Frauen bei Stellenanzeigen, in denen zum Beispiel ein Senior-Manager gesucht wird, meist gar nicht weiterlesen. Besser sind neutrale Jobtitel wie „Projektleitung für“ oder „Fachkraft für“. Zudem fühlen sich Frauen im Anzeigentext eher durch Begriffe wie „Teamfähigkeit“ oder „Kommunikationsfähigkeit“ angesprochen. Gerade bei der Suche nach Führungskräften sollten Personaler daher möglichst ausgewogen texten. Schließlich vergrößert sich der Kreis derjenigen, die sich bewerben, wenn die Anzeige alle Geschlechter anspricht. Hilfreich kann auch eine andere Formulierung sein: So besagt „ein gutes Gespür in kritischen Situationen“ nichts anderes als Durchsetzungsstärke.

Männliche Begriffe umformulieren

Rein männliche Worte wie „Bewerber“ lassen sich im Text leicht umgehen – beispielsweise durch die persönliche Ansprache: „Sie passen am besten zu uns, wenn…“. Oder auch „Persönlichkeiten, die sich bei uns bewerben…“. Mit geschlechtsneutralen Formulierungen, wie „Mitarbeitende“, können dagegen vermutlich weder Personalverantwortliche noch die Angesprochenen selbst viel anfangen.

Wir bei Becker + Partner beobachten immer wieder, dass Frauen ihr Licht unter den Scheffel stellen. Wenn eine Frau nicht alle genannten Anforderungen der Stellenanzeige erfüllt, wird sie sich kaum bewerben. Männer beweisen unserer Erfahrung nach mehr Mut zur Lücke. Daher raten wir Kandidatinnen dazu, ruhig auch mal eine Bewerbung mehr zu schreiben, selbst wenn sie die gewünschten Kenntnisse nicht zu 100 Prozent mitbringen. Viele HR-Verantwortliche haben darauf schon reagiert und formulieren einerseits Muss-Anforderungen und andererseits in einem eigenen Abschnitt noch Fähigkeiten, die wünschenswert sind.

Je diverser desto innovativer?

Unternehmen, die auf eine inklusive Sprache achten, werden insgesamt als offener und fairer angesehen. Meist wird ihnen zudem mehr Innovationsfähigkeit zugetraut. Sprache, die alle Menschen einbezieht, ist aber auch ein Ausdruck gelebter Unternehmenskultur. Gerade die Generation Z legt großen Wert auf Gleichbehandlung und Vielfalt – und erwartet das auch im beruflichen Umfeld. So kann es hilfreich sein, nicht nur in der Anzeige darauf hinzuweisen, dass alle Geschlechtsidentitäten eingeladen sind sich zu bewerben, sondern auch konkrete Beispiele zu nennen, wie das Unternehmen Diversität lebt. Dass sich Vielfalt für Unternehmen auszahlt, ist messbar: Studien belegen, dass solche Unternehmen produktiver sind.

Gender-Pay-Gap bekämpfen

Noch immer ist der Unterschied beim Gehalt der größte Faktor der Ungleichbehandlung. Auch hier können Unternehmen schon in der Stellenanzeige mit transparenten Gehältern ein Statement abgeben. Denn noch immer liegt der sogenannte Gender-Pay-Gap, also die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen, in vielen Fällen bei über 25 Prozent. Selbst im Öffentlichen Dienst, wo zwar Tarifverträge für weitgehende Gleichbehandlung sorgen, entstehen Lohnunterschiede. Denn oft werden Frauen anders eingruppiert oder fordern keine Zulagen für Extraarbeit ein. Weitere Möglichkeiten, die Zielgruppe von Stellenangeboten zu erweitern, sind gendergerechte Leistungen des Unternehmens. Wer also mehr Frauen erreichen möchte, sollte Teilzeit- oder Homeoffice-Angebote machen.

Ein Problem, das wir als Personalberatung bei geschlechtergerechten Stellenanzeigen sehen, ist die Suchmaschinenoptimierung. Weil SEO lange Zeit Jobtitel mit dem generischen Maskulinum weit oben ausgespielt hat, wurde die geschlechtsneutrale Sprache oft zugunsten eines besseren Rankings „geopfert“. Auch heute noch ist Google nicht in der Lage alle Varianten der gendergerechten Sprache gleichwertig in den Suchergebnissen abzubilden. Es hat jedoch den Anschein, dass die Nutzung des Doppelpunktes gegenüber dem Sternchen oder anderen Formen zur Zeit am besten funktioniert und die meisten sinnvollen Suchergebnisse zeigt. Je nach Test kann dies jedoch unterschiedlich sein, so dass der Schluss naheliegt, dass Google noch keine einheitliche Regel zum Gendern hat. Wichtig ist, die einmal getroffene Form des inklusiven Genderns auf einer Webseite und in der Außenkommunikation beizubehalten. Bei der On-Page-Optimierung muss man insbesondere darauf achten, welche Suchintention stand hinter der Keywordsuche. Wer bewusst nach der weiblichen oder männlichen Form sucht, möchte z.B. die Webseite einer Frauenärztin finden und nicht eine Webseite mit dem Begriff FrauenärztIn.

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