Jobwechsel in Krisenzeiten: Immer mehr Beschäftigte wünschen sich berufliche Veränderung
21. Mai 2024
Etwas mehr als vier Jahre ist der erste Corona-Lockdown in Deutschland mittlerweile her. Corona scheint weit weg und hat doch Spuren hinterlassen: In Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt. Inmitten neuer Krisen zeigt sich – der Wunsch nach Veränderung ist so groß wie selten zuvor.
Normalerweise suchen Menschen in Krisenzeiten Sicherheit. Ein Jobwechsel scheint da eher unvernünftig. Aber die Corona-Krise hat auch gezeigt, dass es mit der Sicherheit schnell vorbei sein kann. Viele Menschen mussten sich beruflich neu orientieren, bei anderen veränderte sich die Sicht auf den aktuellen Job – und oft auch auf das Leben insgesamt. Andere Dinge, wie die physische und auch die psychische Gesundheit, bekamen plötzlich einen höheren Stellenwert.
Gerade im Job wurde die Bedeutung hinterfragt. Viele Beschäftigte kamen zu dem Schluss, dass es ihnen an Sinn und Wertschätzung fehlt. Hinzu kam, dass der Siegeszug des Homeoffice andere Arbeitsmodelle möglich gemacht hat. Auch unsere Personalberater stellen seit Corona fest, dass die Motivation für einen Jobwechsel größer ist. Seitdem ist einiges passiert: Russland hat die Ukraine überfallen, die Wirtschaft schwächelt und es steigt die Inflation. Trotz oder vielleicht gerade wegen der vielen Krisen wünschen sich immer mehr Menschen eine neue berufliche Perspektive.
Zufriedenheit im Job sinkt
Dazu passt, dass die Zufriedenheit im Job in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken ist. Laut einer EY-Studie von 2023 liegt sie bei 71 Prozent – im Jahr davor waren es noch 78 Prozent. In einer Umfrage der pronova BKK, die kürzlich veröffentlicht wurde, geben 47 Prozent der Befragten an, innerlich gekündigt zu haben oder das in ihrem Umfeld zu beobachten. 45 Prozent machen nur noch Dienst nach Vorschrift – Quiet Quitting nennt sich das Phänomen. Die Hauptgründe: Überlastung, schlechte Bezahlung und fehlende Wertschätzung. Das betrifft nicht nur die viel gescholtene GenZ, auch wenn die 18 bis 29-Jährigen beim Quiet Quitting deutlich überrepräsentiert sind. Ein Teil der Älteren sitzt das Problem aus und wartet auf die Rente. Andere hoffen auf Vorruhestandsregelungen, nehmen eine Auszeit oder starten eine neue Karriere. Für die Wirtschaft ist das ein Problem, denn die Produktivität leidet.
Jüngere Beschäftigte kündigen mittlerweile häufig, ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben. Dabei spielt der Fachkräftemangel eine große Rolle. Unternehmen suchen händeringend Personal, auch wenn die Konjunktur schwächelt. So werden Brüche im Lebenslauf eher akzeptiert. Hinzu kommt, dass die Arbeitswelt insgesamt im Umbruch ist. Work-Life-Balance, Mobiles Arbeiten oder Sabbaticals sind nur einige Schlagworte, die HR-Experten unter New Work zusammenfassen. Die zuletzt vereinbarten Tarifabschlüsse zeugen von der guten Verhandlungsposition von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: Unternehmen müssen etwas bieten, um begehrte Fachkräfte zu halten beziehungsweise zu gewinnen.
Kollegiales Umfeld und gute Führungskräfte motivieren
Im Alltag unserer Personalberatung sehen wir, dass Kandidatinnen und Kandidaten andere Ansprüche haben. Sie möchten eine sinnstiftende Tätigkeit in einem kollegialen Umfeld. Dazu gehört auch eine wertschätzende Führungskraft. Daran mangelt es jedoch häufig, wie Marco Nink, Experte für Arbeitsumfeld Führung und Führungskräfte am Gallup-Institut, feststellt. „Führung war noch nie sehr gut“, sagt er in einem Podcast von SWR Aktuell. „Nur einem kleinen Teil der Führungskräfte gelingt es, die emotionalen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zu adressieren.“
Hier gilt es in unseren Augen anzusetzen. Denn alle Erkenntnisse aus der Arbeitsforschung belegen, dass Beschäftigte deutlich zufriedener und motivierter sind, wenn sie merken, dass ihnen zugehört wird und sie in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für nicht nur für mehr Produktivität, sondern auch für eine gute Arbeitsatmosphäre. Beides ist im Interesse jedes Unternehmens, das auch in Zukunft wachsen will.