Karriere ist nicht mehr alles – der Trend geht zum Downshifting

11. Juni 2024

Alle paar Jahre der nächste Schritt auf der Karriereleiter – jahrzehntelang galt das als Maßstab für beruflichen Erfolg. Doch immer mehr Menschen sehnen sich nach mehr Balance zwischen Privatleben und Arbeit. Und schalten bewusst einen Gang zurück.

Leistung ist zwar ein Grundpfeiler der Wohlstandsgesellschaft. Doch das bedeutet nicht, dass man in seiner beruflichen Karriere nicht auch mal eine Zeitlang innehalten kann und darf, sei es, um sich neu zu sortieren, ein persönlich wichtiges Projekt umzusetzen oder einfach nur für eine Auszeit. Personalexperten bezeichnen den Wunsch, weniger zu arbeiten und dabei auf Beförderungen und ein höheres Gehalt zu verzichten als Downshifting.

Arbeit ist nicht mehr das halbe Leben

Es ist nicht nur die GenZ, also die 20 bis 30-Jährigen, die nicht mehr bereit ist, ihr Privatleben der Karriere unterzuordnen. Downshifter sind meist Menschen zwischen 40 und 60, die bereits auf eine Karriere zurückblicken und eine Zwischenbilanz ziehen. Viele kommen zu dem Schluss, dass es noch andere lohnenswerte Aufgaben gibt.

Mehr Zeit für die Familie ist eines der häufigsten Argumente für die Reduzierung von Arbeitszeit und Verantwortung. Weniger Stress ein weiteres – viele Menschen entscheiden sich kürzer zu treten, weil sie schon einmal einen Burnout oder andere Krankheiten durchgemacht haben. Dadurch verändern sich die Prioritäten. Auch die Umsetzung eines langgehegten Traums kann Anlass sein, Führungsaufgaben abzugeben. Wer in einer Top-Position Verantwortung trägt, kann nicht einfach mal zwei Monate lang zu einer Amazonas-Expedition aufbrechen.

Die Corona-Zeit hat ebenfalls zu einem Umdenken beigetragen. Die Bereitschaft, den Job zu kündigen und etwas ganz anderes zu machen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Ebenso wie die Jüngeren, suchen viele ältere Arbeitnehmer verstärkt nach einer Aufgabe mit der sie sich identifizieren. Dieser Purpose kann sein, dass man in einem Unternehmen arbeiten möchte, das zur Nachhaltigkeit beiträgt oder dass man sich um andere kümmert, sei es als Lehrer oder als Sanitäter.

Downshifting: Vom Makel zum Pluspunkt

Im klassischen Lebenslauf sind solche Brüche häufig ein Ausschlusskriterium. Denn auf der Karriereleiter durfte es nur aufwärts gehen, sonst galt man schnell als Versager. Auch Phasen ohne Arbeit galten als No-Go.

Doch die Zeiten ändern sich. Und viele Personalberater und HR-Verantwortliche erkennen, dass es sich lohnt, auch mit Kandidatinnen und Kandidaten mit weniger geradlinigen Karrieren zu sprechen. Downshifting ist meist eine sehr bewusste Entscheidung, der ein langer Prozess vorausgeht. Schließlich verzichten Fachkräfte nicht nur auf Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten, sondern auch auf Prestige und Geld. Hinzu kommt, dass das persönliche Umfeld, wie auch Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte häufig entgeistert sind, wenn sie von solchen Überlegungen hören. Wer sich dennoch dafür entscheidet, weiß normalerweise sehr genau, worauf er sich einlässt, und hat gute Gründe. „Auch ein Schritt zurück ist oft ein Weg zum Ziel“, wusste schon Bundeskanzler Konrad Adenauer.

Wir von Becker + Partner haben die Erfahrung gemacht, dass Downshifter ausgeruhter und zufriedener sind. Wenn sie sich für eine neue Stelle bewerben, sind sie meist hochmotiviert.

Wichtig ist, Gründe für vermeintliche Brüche zu erklären

Für Personalabteilungen sind Bewerbungen von Überqualifizierten allerdings häufig ein Problem. Sie befürchten, dass die Kandidaten schnell wieder abspringen, weil die Aufgaben sie nicht ausfüllen. Daher ist es wichtig, die Gründe für einen Wechsel in eine weniger verantwortungsvolle Position gut zu erklären. Offenheit ist dabei das A und O, sonst landet man ganz schnell auf dem Stapel der Absagen.

Auch wer sich im eigenen Unternehmen aus der ersten Reihe zurückziehen möchte, stößt nicht immer auf offene Ohren. Das ist aus Sicht einer Personalberatung zu kurz gedacht, denn man riskiert, Top-Leute auf Dauer zu verlieren. Stattdessen raten wir dazu, gemeinsam eine Lösung zu suchen, die beide Seiten zufriedenstellt.

Mut zur Lücke kann man jetzt sogar auf dem Karriereportal LinkedIn beweisen: Dort gibt es die Möglichkeit dem Lebenslauf einen „Career Break“ hinzuzufügen, für Zeiten, in denen man sich beruflich weiterentwickelt hat oder „andere Aspekte des Lebens“ gemanagt hat. Auch das zeigt den Paradigmenwechsel: Früher wurde eine längere Auszeit versucht zu kaschieren, heute kann man sie selbstbewusst im Lebenslauf offenlegen.

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