Nach der Krise ist vor der Krise: Mit welchen Problemen der Mittelstand nach der Corona-Pandemie kämpft

23. Februar 2022

Die Omikron-Welle rollt noch immer mit Wucht durch Deutschland. Trotzdem herrscht in den meisten Firmen das, was sich das „neue Normal“ nennt. Über Corona zerbricht sich der Mittelstand inzwischen weit seltener den Kopf als über altbekannte Probleme. Das sind vor allem Fachkräftemangel, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Die deutsche Wirtschaft kommt insgesamt gut durch die Corona-Krise: Etwas mehr als die Hälfte der mittelständischen Unternehmen bezeichnet ihre Geschäftslage laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young Ende des vergangenen Jahres als gut.

Auf die Corona-Krise sind die Firmen eingestellt und die Sorge vor neuen Einschränkungen ist nicht mehr das größte Problem. Für die Zukunft sehen Unternehmerinnen und Unternehmer Licht am Horizont. Spätestens in drei Jahren erwarten sie eine Rückkehr zu Vorkrisenniveau. Schon jetzt sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Es sind in erster Linie Lieferengpässe und hohe Energiekosten, die die Produktion belasten.

Fachkräftemangel rückt wieder in den Vordergrund

Rund ein Drittel der Mittelständler würde jetzt gerne wieder mehr Personal einstellen. Aber der Fachkräftemangel könnte ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Drei Viertel der von Ernst & Young befragten Unternehmer sehen darin die größte Wachstumsbremse. Vor einem Jahr sagte das nur etwas mehr als die Hälfte der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU).

Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, dass Deutschland jedes Jahr etwa 400.000 Zuwanderer braucht, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Doch Migration ist nicht die alleinige Lösung. Mehr Unterstützung für berufstätige Eltern, fordert beispielsweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Viele Betriebe setzen das bereits um und bieten flexible Arbeitsmodelle, damit Eltern Familie und Job besser miteinander vereinbaren können. Auch betriebliche Aus- und Weiterbildung soll den Fachkräfteengpass zumindest abmildern. Darüber hinaus locken manche Firmen ihre älteren Arbeitnehmer mit attraktiven Angeboten, damit sie noch ein paar Jahre dranhängen.

Dieser Führungs- und Fachkräftemangel ist aus der Sicht einer Personalberatung allerdings ein Umstand, der eher für eine erhöhte Nachfrage nach Unterstützung bei der Stellenbesetzung sorgt. Denn mit Executive Search und der Direktansprache von Spezialisten kann ein guter Personalberater eine dringend benötigte Position in der Regel doch zeitnah besetzten.

Mitarbeiter fit machen für die digitale Zukunft

Weiterbildung ist auch notwendig, um die zweite große Baustelle des Wirtschaftsstandorts Deutschland anzugehen: die Digitalisierung. Zwar hat die Corona-Krise hier für einen ungeahnten Schub gesorgt. Doch es gibt noch deutlich Luft nach oben. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) rät Unternehmen daher dringend dazu, ihre Mitarbeiter fit für die digitale Zukunft zu machen.

„Der Mittelstand muss in die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter, in die Angebote für digitales Arbeiten sowie in kreative Rekrutierungsmaßnahmen deutlich mehr investieren“, so Marc Müller, von der Steuerberatungsgesellschaft ETL, die gemeinsam mit dem IW den Mittelstandskompass erstellt. Denn ohne die Fähigkeit flexibel auf Veränderungen zu reagieren oder neue Technik und Arbeitsweisen umzusetzen, geht in der Arbeitswelt 4.0 nicht mehr viel. Die gute Nachricht ist, dass kleine und mittlere Unternehmen das Thema „agiles Arbeiten“ meist leichter umsetzen können als große Konzernen mit festgefahrenen Hierarchien.

Auch die Chef-Ökonomin der KfW, Dr. Fritzi Köhler-Geib, ist der Überzeugung, dass der „schwierige Transformationsprozess“ ohne geeignete „Fördermaßnahmen und Qualifikationsangeboten für die Beschäftigten“ nicht funktioniert. Sollte das aber gelingen, „dürfte der Mittelstand als Ganzes gestärkt aus dieser Krise hervorgehen“, so die Ökonomin.

Cloud-Lösungen anfälliger für Cyberattacken

Doch nicht nur Vorbehalte der Belegschaft oder fehlende Qualifikation bremsen den Wandel hin zu einer digitalen Zukunft. Oft sind es auch praktische Gründe. Daten müssen in einer Cloud besser geschützt sein als auf einem lokalen Server. Das kostet Geld. Außerdem braucht man darauf spezialisierte IT-Experten. Aber das Thema ist angekommen auf den To-do-Listen der Konzerne. Das zeigt auch der aktuelle Allianz-Risikobericht: Weltweit sehen Unternehmen Cyberattacken als größte Gefahr für ihr Geschäft. Bei Unternehmen in Deutschland landen Hackerangriffe auf Platz zwei der Risikofaktoren. Hierzulande überwiegt nur die Furcht vor Betriebsstörungen – beispielsweise, weil Lieferketten nicht funktionieren oder Rohstoffe knapp sind.

Immerhin gibt etwa die Hälfte aller KMU an, dass sie ihre Digitalisierungsziele zum größten Teil erreicht haben. 15 Prozent sehen die Ziele sogar vollständig umgesetzt. Der Anteil von Unternehmen, die auf dem Gebiet kaum weitergekommen sind, liegt im einstelligen Prozentbereich.

Nachhaltigkeit geht nicht ohne Digitalisierung

Ohne Digitalisierung wird das große Ziel, klimaneutral zu produzieren, kaum gelingen. Viele kleine und mittelständische Unternehmen haben bereits reagiert: Sie setzen bei der Produktion auf klimaschonende Ressourcen oder steuern Beleuchtung, Wasser und Heizung mithilfe smarter Gebäudetechnik. Aufgrund der steigenden CO2-Preise plant fast die Hälfte der KMU noch weitere Maßnahmen, um CO2 zu sparen.

Ausgaben, die sich nach Meinung vieler Unternehmer auszahlen. Sie erwarten aufgrund von klimafreundlicher Produktion oder Dienstleistungen neue Absatzmöglichkeiten. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die davon ausgehen, dass steigende Preise für Kohlenstoffemissionen ihr Geschäftsmodell und die Wettbewerbsfähigkeit gefährden.

Die Angst der Unternehmen vor der Bürokratie

Angesichts der guten Auftragslage sind die Unternehmen inzwischen wieder bereit Geld auszugeben. Laut einer Umfrage der DZ Bank und der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken wollen 77 Prozent der Befragten in Zukunftsprojekte wie eben Digitalisierung und Nachhaltigkeit investieren. Jeder dritte plant dafür sogar mehr Geld ein als noch vor der Corona-Krise. Die Bereitschaft zum Wandel ist in der Wirtschaft also da. Gleichzeitig sind die Sorgen vor zunehmender Bürokratie so groß wie nie zuvor – 80 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer fürchten, dass Vorschriften und komplizierte Regelungen sie ausbremsen.

 

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