Trotz oder wegen Fachkräftemangel: Warum Unternehmen Sabbaticals fördern sollten

19. Mai 2023

Viele Menschen wünschen sich irgendwann im Berufsleben eine Auszeit. Dafür bietet ein Sabbatjahr die ideale Möglichkeit. Doch dafür sind die Beschäftigten auch auf den guten Willen des Arbeitgebers angewiesen. Denn oft gibt es Vorbehalte. Dabei können eigentlich alle nur gewinnen.

Es gibt eine Reihe von Gründen für ein Sabbatical – sei es, den Traum von einer großen Reise zu erfüllen, eine Sprache zu lernen, Angehörige zu pflegen oder einfach nur Zeit für sich beziehungsweise für Familie und Freunde zu haben. Einen gesetzlichen Anspruch auf ein Sabbatjahr gibt es allerdings bisher lediglich im Öffentlichen Dienst. In der Privatwirtschaft kann der Arbeitgeber den Wunsch nach einer Freistellung aus betrieblichen Gründen ablehnen. Und selbst wenn Unternehmen offen dafür sind, machen insbesondere Führungskräfte selten davon Gebrauch. Sie befürchten, dass sie nicht wieder in ihre alte Position zurückkehren können. Denn darauf gibt es keinen Anspruch. Außerdem sehen sie sich im Hintertreffen bei möglichen Beförderungen oder neuen Aufgaben. Häufig haben sie mit diesen Bedenken auch recht. Denn in Personalabteilungen hält sich die Begeisterung über lange Auszeiten meist in Grenzen. Dann kommt auch noch das schlechte Gewissen dazu, weil man Kolleginnen und Kollegen nicht im Stich lassen will – oder das eigene Ego, weil man der Vertretung nicht zutraut, den Job ebenso gut zu machen.

Mehr Vor- als Nachteile beim Sabbatical

Das sind für uns als Personalberater absolut nachvollziehbare Gründe. Dennoch überwiegen in unseren Augen die Vorteile der beruflichen Auszeit. Deshalb raten wir sowohl Beschäftigten als auch Unternehmen diese Möglichkeit zu nutzen, denn die Auszeit zahlt sich für alle Beteiligten aus.

Studien zeigen, dass ein Sabbatical sich positiv auf die Gesundheit auswirkt und die Menschen nach ihrer Rückkehr motivierter in die Arbeit starten. Der von manchen Personalern befürchtete Schlendrian kehrt also nicht ein – das Gegenteil ist der Fall. Nicht umsonst gibt es den Ausspruch, den Horizont erweitern. Das geht in meinen Augen leider im Berufsleben oft verloren. Dabei bringen neue Erfahrungen, auch wenn sie gar nichts mit dem eigentlichen Job zu tun haben, frische Ideen und frische Motivation. Ein Sabbatjahr muss nicht immer ein ganzes Jahr sein. Kürzere Zeiträume von drei oder vier Monaten sind inzwischen ein Modell, das sich bei Arbeitgebern und Beschäftigten bestens bewährt hat.

Instrument im Kampf um junge Talente

Wer als Arbeitgeber berufliche Auszeiten fördert, wird damit zudem bei jungen Talenten die Nase vorn haben. Schließlich ist die Generation Z gewohnt viel auf Reisen zu gehen und pocht auch im Berufsleben immer mehr auf eine ausgewogene Work-Life-Balance.

Letztlich sollten Arbeitgeber es positiv sehen, wenn ihre Top-Leute über den Tellerrand sehen und noch dazu ihre Batterien auftanken. Gerade in Zeiten, in denen sich eine Krise an die andere reiht und sich die Arbeit immer mehr verdichtet, sind solche Auszeiten wichtiger denn je.

Chance für Nachwuchs-Führungskräfte

In den letzten zwei Jahren Personalberatung konnten wir feststellen, dass für viele Menschen die Corona-Zeit ein Anlass war, sich die Sinnfrage zu stellen – mit der Konsequenz, dass immer mehr Menschen ihren Job gekündigt haben. Teilweise sogar, ohne einen neuen Arbeitsvertrag zu haben. Ein Sabbatical kann Unternehmen daher helfen, wertvolle Fachkräfte zu halten und ihnen eine Atempause zu verschaffen.

Natürlich ist es ein organisatorischer Aufwand, eine Fachkraft über mehrere Monate oder sogar ein ganzes Jahr zu ersetzen. Doch in unseren Augen bietet es zugleich die Chance für die jeweiligen Vertretungen, ihre Qualitäten unter Beweis zu stellen und zugleich weitere Führungserfahrung zu sammeln.

Freistellung oder Teilzeitarbeit

Für ein Sabbatical gibt es verschiedene Modelle. Eine Möglichkeit ist die Umstellung des Vertrags auf Teilzeitarbeit. Auf dem Arbeitszeitkonto können dann Stunden für das Sabbatical angespart werden. Beschäftigte verzichten zwar auf einen Teil ihres Lohns, haben aber auch während ihrer Abwesenheit ein Einkommen. Außerdem sind sie weiterhin sozialversichert. Beim unbezahlten Urlaub kann das anders aussehen. Aber auch hier gibt es Modelle, bei denen der Arbeitgeber weiter in die Sozialversicherung einbezahlt.

Bildungsauszeit – Österreich macht es vor

Eine andere Option könnte demnächst sogar vom Arbeitsministerium gefördert werden – eine Bildungsauszeit nach dem Vorbild Österreichs. Dort können Arbeitnehmer nach mehreren Jahren im Unternehmen eine mehrmonatige sogenannte Bildungskarenz nehmen. Dafür müssen sie mindestens 20 Stunden in der Woche für eine Weiterbildung aufwenden. Das können beispielsweise Sprachkurse im Ausland sein, ein Engagement bei einem Hilfsprojekt oder eine Weiterbildung. Das Gehalt übernimmt in diesem Fall das österreichische Arbeitsministerium. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will eine solche Bildungsauszeit auch in Deutschland einführen.

Ob Bildungszeit oder Sabbatical – jeder Mensch sollte auch während des Berufslebens die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln oder einfach auch nur einen Traum zu erfüllen.

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