Silver Worker statt goldener Handschlag: Mit älteren Mitarbeitern gegen den Fachkräftemangel

14. Juni 2023

Immer mehr Menschen wollen früher in Rente gehen, dabei werden Arbeitskräfte händeringend gebraucht. Deswegen müssen sich Personalverantwortliche etwas einfallen lassen, um das Know-how und die Produktivität der Älteren im Unternehmen zu halten. Denn so wichtig die Nachwuchsrekrutierung ist – ohne die Älteren wird es kaum gehen.

Die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Boomer gehen in den kommenden Jahren in Rente oder arbeiten schon an einem früheren Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Nach wie vor gibt es auch noch Unternehmen, die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dem goldenen Handschlag einen frühen Abschied nahelegen.

Doch in Zeiten des Fachkräftemangels findet ein Umdenken statt: Immer häufiger überlegen Personalverantwortliche, wie sie ältere Kollegen im Betrieb halten können. Und auch die Frührentner sind meist noch aktiv und können sich neue Aufgaben vorstellen. Dafür müssen aber die Konditionen stimmen, denn auf eine ausgewogene Work-Life-Balance achten inzwischen nicht nur junge Menschen.

Ältere Fachkräfte haben andere Bedürfnisse

Erfahren, bestens vernetzt, motiviert und zuverlässig: Diese Attribute gelten für den Großteil der älteren Beschäftigten. Diese wertvollen Arbeitskräfte einfach so ziehen zu lassen, scheint für uns als Personalberater kurzfristig gedacht. Denn der Nachwuchs steht eben nicht Schlange. Außerdem bedeutet eine gute Mischung von Altersgruppen auch Diversität. Hier gilt für verschiedene Altersgruppen, wie auch für unterschiedliche Geschlechter oder Kulturen, dass Vielfalt für spannendere Ideen und mehr Produktivität sorgt.

Meist können sich Menschen mit langer Lebenserfahrung auch besser selbst motivieren und wissen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Für Führungskräfte kann das Fluch und Segen zugleich sein. Wichtig ist vor allem, dass sie im Team das Miteinander fördern und nicht Alt gegen Jung ausspielen. Denn nur dann kann eine produktive Zusammenarbeit entstehen.

Mehr tun für Gesundheits- und Arbeitsschutz

Doch ältere Beschäftigte haben andere Bedürfnisse, auf die sich die Personalverantwortlichen und Personalberatungen einstellen sollten. Deswegen spielt der Gesundheits- und Arbeitsschutz eine wichtige Rolle. Vielen Beschwerden kann man mit der richtigen Arbeitsumgebung vorbeugen. Ergonomische Stühle und höhenverstellbare Schreibtische helfen beispielsweise gegen Rückenprobleme.

Beschäftigte über 50 Jahre, die gerne auch Silver Worker genannt werden, sind zudem mehrheitlich besser darin ihre Kräfte einzuteilen und zu priorisieren. Hier sollten Unternehmen ihnen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und Homeoffice-Optionen entgegenkommen. Bei dieser Form der Altersteilzeit sollte der Fokus aber ganz klar darauf liegen, die Menschen im Unternehmen zu halten und nicht, sie in einem schleichenden Prozess loszuwerden. Denn während das eine motiviert, führt das andere im Zweifel zum Dienst nach Vorschrift oder zum Absitzen der Restarbeitsjahre.

Eine andere Form der Zusammenarbeit sind Projektaufträge. Insbesondere für Beschäftigte im Rentenalter, die noch Lust haben weiterzuarbeiten, ist das ein interessantes Modell. So können sie sich passende Projekte heraussuchen und haben gleichzeitig die Freiheit, auch mal Nein zu sagen und stattdessen ein paar Monate auf Weltreise zu gehen.

Viele wollen noch etwas bewegen – und sind hochmotiviert

Dass ältere Menschen noch jede Menge Energie haben, sieht man nicht nur auf Golf- oder Tennisplätzen oder Trekkingtrails im Himalaya. Die meisten Menschen im höheren Alter haben durchaus noch Lust, etwas zu bewegen. Nicht umsonst engagiert sich ein großer Teil von ihnen ehrenamtlich. Unternehmen sollten daher gemeinsam mit ihren älteren Beschäftigten überlegen, welche Aufgaben sie im letzten Abschnitt ihres Berufslebens noch gerne ausfüllen würden.

Eine Möglichkeit ist beispielsweise, Wissen weiterzugeben. Das wird unserer Erfahrung nach bisher noch zu wenig genutzt. Dabei könnten Mentorenprogramme helfen, langjähriges Wissen an die nachrückende Generation von Führungskräften zu übertragen. Zudem würde es für neue Motivation sorgen und den Älteren das Gefühl vermitteln, dass sie noch gebraucht und wertgeschätzt werden.

Persönliches Coaching zur Qualifizierung

Keine Frage, es gibt auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich dem Wandel nicht gewachsen sehen. Mit zunehmender Digitalisierung sind neue Kompetenzen nötig. Was für Digital Natives selbstverständlich ist, stellt für Ältere oft eine große Hürde dar. Häufig wird dann gehofft, dass sich das Problem mit Renteneintritt von selbst erledigt. Doch wir von Becker + Partner sind überzeugt, dass es sich lohnt, Beschäftigte weiterzuqualifizieren und dabei zu fördern, aber nicht zu überfordern. Oft hilft es schon, Ängste zu nehmen.

Wir sehen bei unserer Arbeit als Headhunter zudem, dass ältere Arbeitnehmer bereit sind für Neues, aber dafür mehr Zeit und individuellere Betreuung brauchen. Ein Online-Kurs, um sie für die Digitalisierung fit zu machen, ist da sicher wenig hilfreich. Stattdessen raten wir gerne dazu, persönliche Coaches ins Boot zu holen. Dann ist die Hemmschwelle niedriger, auch vermeintlich ‚dumme‘ Fragen zu stellen.

Unserer Meinung nach muss für die Bekämpfung des Fachkräftemangels eine mehrgleisige Strategie her, bei der Zuwanderung und Digitalisierung eine große Rolle spielen. Aber die Rolle der Menschen über 50 dabei zu vernachlässigen, wäre eine vergebene Chance.

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