Maßanzüge oder Chauffeur: Fachkräftemangel treibt seltsame Blüten
4. September 2023
Die Gen Z lässt bei vielen Personalverantwortlichen den Blutdruck steigen: Die jungen Talente pochen auf Mitsprache und Homeoffice, wollen Sabbaticals und pünktlich in den Feierabend. Die Arbeit muss zudem sinnvoll und gut bezahlt sein. Manchen reicht das aber nicht – da soll das Unternehmen schon mal Maßanzüge oder First-Class-Flüge springen lassen.
Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass Betriebe aktiv um Talente werben müssen, damit diese einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Insbesondere junge Führungskräfte der sogenannten Generation Z, also die zwischen Ende der 1990er Jahre und den 2010er Jahren Geborenen, hat mittlerweile die Qual der Wahl. Sie kann es sich leisten, mit einem Katalog von Forderungen in Verhandlungen um einen Arbeitsvertrag zu gehen.
Forderungen nach Chauffeur und Rolex
Die jungen Leute wollen Mitspracherechte – und zwar von Anfang an. Ein ausgeprägtes Hierarchiedenken ist ihnen fremd. Sie erwarten immer Feedback, aber es muss positiv und wertschätzend verpackt sein. Zudem soll ihre Arbeit ein höheres Ziel haben als reines Geldverdienen. Nachhaltigkeit und Umweltschutz stehen dabei ganz oben auf der Agenda. So erleben es derzeit viele Personalverantwortliche. Für die Generation, die es gewohnt ist, schon seit der Jugend die Welt zu bereisen, die Work + Travel gemacht hat oder in Freiwilligenprojekten im Ausland geholfen hat, möchte auch bei der Arbeit flexibel sein. Für sie sind Homeoffice und die Möglichkeit, ein Sabbatical zu machen, selbstverständlich. Außerdem sind sie weniger bereit, zugunsten von Arbeit auf Familie und Freizeit zu verzichten.
Für manche Personalexperten sind das schon Auswüchse, die sie sich nie hätten träumen lassen. Aber sie können sich trösten: Es geht noch anspruchsvoller: Neben Homeoffice oder Teilzeitarbeit stehen Benefits wie BahnCard- oder Deutschlandticket, Jobrad, Dienstwagen oder Vorsorgeuntersuchungen auf dem Wunschzettel. In gehobenen Positionen dürfen es auch gerne mal Flüge in der First Class oder ein Chauffeur zum Dienstwagen sein. Auch beim Gehalt liegen die Forderungen manchmal jenseits der Realität. Statt die üblichen 15 Prozent mehr beim Jobwechsel, verlangen manche Bewerber einen Aufschlag von mehr als 30 Prozent. In einem Fall beschreibt ein Headhunter, der einen Geschäftsführer in die Schweiz vermitteln wollte, dass dieser auch für seine Ehefrau eine Apanage in Höhe von mehreren Tausend Franken im Monat forderte. Ein anderer wollte sich einen Anspruch auf Maßanzüge im Vertrag festschreiben lassen. Im Netz kursiert zudem die Geschichte von Thorben, der nicht nur einen neuen Job als Wirtschaftswissenschaftler sucht, sondern auch nach einer Rolex, die ihm der zukünftige Arbeitgeber zum Einstieg schenken soll.
Gen Z: Umworbene Fachkräfte in Zeiten des Mangels
Solche Extreme sind zwar selten, aber auch in unserer Personalberatung sehen wir, dass die Erwartungen gewachsen sind. Bewerberinnen und Bewerber gehen mit einem größeren Selbstbewusstsein in Verhandlungen. Sofern die Forderungen nicht völlig wirklichkeitsfremd sind, raten wir unseren Kunden sich zu überlegen, welche Zugeständnisse sie machen wollen. Denn wie mit jedem knappen Gut steigt der Preis mit der Nachfrage. Man darf nicht vergessen, dass in Zeiten von Arbeitsmangel die Unternehmen die Bedingungen zu ihren Gunsten festlegen konnten. In Zeiten des Arbeitermangels sind die Zeichen entsprechend andersherum.
Personalexperten, die oft noch aus der Generation der Babyboomer stammen und mit ganz anderen Ansprüchen aufgewachsen sind, haben es schwer, diese Forderungen nachzuvollziehen. Sie sehen die Gen Z häufig als anspruchsvoll, aber wenig opferbereit. Allerdings bringen die jungen Talente meist eine sehr gute Ausbildung mit und sind als Digital Natives unverzichtbar für die künftigen Herausforderungen. Kurz, sie können es sich leisten anspruchsvoll zu sein. Letztlich sind Forderungen nach einer klaren Abgrenzung von Beruf und Freizeit etwas, das lange selbstverständlich war, weil es früher weder Handy noch E-Mail gab. Insofern ist das eher eine Rückkehr zur Normalität. Für die physische und psychische Gesundheit ist eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit ohnehin ein Gewinn.
Ohne Flexibilität kein Nachwuchs
Unternehmen sollten daher offen sein für die Forderungen der Gen Z. Sie werden sonst kaum Nachwuchs finden. Im Gegenzug bekommen sie meist auch hochmotivierte Mitarbeiter. Es ist schließlich durch zahllose Studien erwiesen, dass Beschäftigte sich bei der Arbeit umso mehr engagieren, je wohler sie sich fühlen. Und die Gen Z ist durchaus bereit sich aufzuopfern, wenn sie sich denn für ein Thema begeistert. Zudem kann der Wandel auch eine Chance sein, das Unternehmen modern aufzustellen – eben mit flexiblen Arbeitszeiten und -orten. Wünsche nach Teilzeitarbeit und Sabbaticals sind aus Sicht eines Personalberaters zwar oft schwierig mit den Bedürfnissen der Arbeitgeber zu vereinbaren. Dennoch sehen wir bei Becker + Partner darin auch eine Chance. Denn egal, ob jemand in der freien Zeit ein Herzensprojekt auf den Weg bringen, sich weiterbilden, Angehörige pflegen oder einfach nur mehr Zeit mit der Familie verbringen möchte: Ermöglicht ein Arbeitgeber diese Wünsche, kann er sich sicher sein, dass die Beschäftigten zufriedener und motivierter auf der Arbeit sind. Und ihren Arbeitgeber seltener verlassen werden.