Mit KI gegen den Fachkräftemangel?
7. Juli 2023
Zuletzt sorgte die „Bild“-Zeitung für Schlagzeilen in eigener Sache: Sie will auf einen Teil der Belegschaft verzichten, denn einen Teil der Aufgaben soll in Zukunft Künstliche Intelligenz übernehmen. Auch in vielen anderen Unternehmen ist KI bereits fest eingebunden. Ist der Fachkräftemangel damit Geschichte?
Seit der Einführung von ChatGPT im vergangenen November wird allerorts über Künstliche Intelligenz gesprochen. Selbst weniger technikaffine Menschen haben schon probiert, wie treffsicher ChatGPT ihre Fragen beantwortet und immer mehr Unternehmen überlegen, wie sie ihnen der Chatbot Aufgaben abnehmen kann. Und jetzt will also die „Bild“ ihr Layout von künstlicher Intelligenz gestalten, Artikel von ihr vertonen und Videos schneiden lassen. Seit die Ergebnisse von KI-basierten Bildprogrammen so gut geworden sind, illustrieren immer mehr Zeitschriften ihre Artikel mit Bildern, die am Rechner entstanden sind. In vielen Firmen ist Künstliche Intelligenz zudem schon seit Jahren als Handlanger für rechenintensive oder zeitaufwendige Aufgaben im Einsatz.
ChatGPT wird in immer mehr Unternehmen eingesetzt
In der IT-Branche, wo der Mangel an Fachkräften besonders groß ist, setzen Firmen jetzt ChatGPT für die tägliche Arbeit ein. Sie sparen sich damit die mühsame Suche nach IT-Profis sowie deren Gehälter. Wir von Becker + Partner sehen zwar keinen Einbruch am Stellenmarkt – im Gegenteil, der Kampf um die besten Talente ist nach wie vor im Gange. Aber dennoch stellen wir uns als Personalberatung die Frage, inwiefern KI den Jobmarkt umkrempeln wird.
Tatsache ist, mit jeder technischen Neuerung, von der Dampfmaschine bis zum Computer, hat sich die Arbeitswelt verändert. Viele Berufsbilder sind ausgestorben. Meist sind dafür jedoch in großer Zahl neue Jobs entstanden. Experten sagen das auch für den Einsatz Künstlicher Intelligenz voraus. Aktuell entstehen tatsächlich viele Stellen mit einem KI-Bezug. Andererseits gibt es in der Tech-Branche des US-amerikanischen Silicon Valley einen Job-Kahlschlag, und der Computerkonzern IBM hat angekündigt, im Bereich der Bürojobs zurückhaltender einzustellen – mit Blick darauf, dass diese Aufgaben in den kommenden Jahren von Künstlicher Intelligenz übernommen werden können.
KI ist kreativer als gedacht
Als Personalberater haben wir, wie wahrscheinlich ein Großteil der Menschen, damit gerechnet, dass Künstliche Intelligenz zunächst Industriejobs überflüssig machen würde. Plötzlich sind die Maschinen aber kreativer als gedacht, können in Millisekunden zusammenhängende Texte schreiben, Kundenanfragen beantworten oder Vorboten schwerer Krankheiten erkennen.
Ein Innehalten bei der Entwicklung wird es kaum geben. Daran ändern vermutlich auch öffentliche Warnungen nichts, wie sie teilweise von Sam Altman, dem Chef des ChatGPT-Herstellers OpenAI, oder dem KI-Forscher Geoffrey Hinton geäußert wurden.
Selbst bei den rasanten Fortschritten der KI werden sicher noch Menschen gebraucht, die die Analysen interpretieren und, wie im Falle von medizinischen Diagnosen, den Betroffenen überbringen und erklären. Aber das könnten in Zukunft deutlich weniger Beschäftigte sein. Laut einer Studie von Goldman Sachs könnte jede vierte Arbeitsaufgabe künftig durch künstliche Intelligenz übernommen werden.
Goldener Boden fürs Handwerk
Für Handwerksberufe oder auch Lehrkräfte oder Sicherheitskräfte wird sie erstmal jedoch kaum eine Konkurrenz sein. Anders sieht es bei Medienschaffenden, Juristen, Software-Entwicklern oder Buchhaltern aus. Hier dürfte die Künstliche Intelligenz einen Siegeszug antreten. Angesichts des Fachkräftemangels ist das sicher eine gute Nachricht, denn viele Unternehmen werden dadurch entlastet. Hinzu kommt, dass KI die Produktivität deutlich steigern soll. Doch irgendwann könnte der Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern umschlagen – in einen Mangel an Arbeit.
Die Frage ist sicherlich, in welche Richtung wir die Entwicklung steuern: Nutzt der Mensch die gewonnene Zeit für neue, kreative Ideen oder kommt es zu Problemen, weil es für einen Großteil der Erwerbstätigen nicht mehr viel zu tun gibt? Löst sich so vielleicht das Pflegeproblem, weil mehr Menschen in diese Berufe drängen? Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz führt zu vielen Fragen – und Ängsten. Ob sie berechtigt sind oder ob KI für mehr Wohlstand und eine ausgewogenere Work-Life-Balance sorgt, wird erst die Zukunft zeigen.