No-Gos im Vorstellungsgespräch: Das sollten Recruiter niemals fragen

23. November 2022

Den Fachkräftemangel spüren Personalverantwortliche jeden Tag. Damit hat sich auch ihre Aufgabe verändert: Sie müssen potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten von ihrem Unternehmen überzeugen und nicht mehr umgekehrt. Damit das gelingt, sind manche Fragen aus dem Katalog der Bewerbungs-Klassiker heute tabu. Aber auch andere Fehler sollten Recruiter vermeiden.

Fast 900.000 offene Stellen meldet die Bundesagentur für Arbeit im Monat September 2022. Das sind rund 300.000 mehr als im September vor zwei Jahren. Angesichts des immer größer werdenden Arbeitermangels können Personalabteilungen froh sein über jede Bewerbung, die in ihrem Postfach landet. Das persönliche Gespräch dient zwar nach wie vor dazu, herauszufinden, ob der Kandidat zum Unternehmen passt. Aber die jungen Talente kommen mit genauen Vorstellungen und der Gewissheit, dass die Nachfrage nach qualifizierten Leuten das Angebot übersteigt. Umso wichtiger ist es, Kandidatinnen und Kandidaten nicht vor den Kopf zu stoßen.

Unpünktlich sein
Was für Bewerber gilt, sollten Personalverantwortliche und Headhunter genauso beherzigen: Wer zu spät kommt, hinterlässt einen schlechten Eindruck. Dazu kommt, dass Kandidaten es oft als mangelnde Wertschätzung empfinden, wenn man sie warten lässt. Wir als Personalberater empfehlen, Bewerber möglichst persönlich an der Pforte in Empfang zu nehmen. Das hat zudem den Vorteil, dass man sich auf dem Weg zum Besprechungsraum schon ein wenig kennenlernen kann. Lässt sich eine Wartezeit nicht vermeiden, sollte die Kandidatin oder der Kandidat möglichst in einem Wartebereich sitzen können – und nicht auf dem Flur stehen müssen.

Mangelnde Wertschätzung
Wertschätzung, Respekt und eine angenehme Arbeitsatmosphäre sind für Kandidaten entscheidende Faktoren für die Wahl des Arbeitgebers. Deswegen sollten Personaler auch beim Vorstellungsgespräch dafür sorgen, dass sich ihr Gegenüber willkommen fühlt. Das gilt genauso für Bewerbungsgespräche per Video. Auch hier können ein paar Eisbrecherfragen für einen guten Start ins Gespräch sorgen. Außerdem sollte sichergestellt sein, dass die Technik reibungslos funktioniert. Häufig sind bei einem Vorstellungsgespräch neben den direkten Vorgesetzten auch Verantwortliche von Human Resources, Gleichstellungsbeauftragte und andere dabei. Daher gehört es zum guten Stil, dass sich alle Beteiligten zu Beginn des Gesprächs kurz vorstellen, bevor dann der Bewerber dran ist.

Tabu- und Rätselfragen
„Wie viele Smarties passen in eine Telefonzelle“ oder „wie viele Tankstellen gibt es in Deutschland“? Rätselfragen sind bei manchen Recruitern beliebt. Dabei geht es gar nicht um eine korrekte Antwort, denn die ist meist ohnehin nicht möglich, sondern darum, wie die Bewerberinnen und Bewerber unter Stress reagieren. Allerdings ist die Frage, ob man potenzielle Mitarbeiter damit nicht eher vergrault. Schließlich geht es darum, sich gegenseitig kennenzulernen. Wir von Becker + Partner können dieser Form von Stress wenig abgewinnen. Ein authentischeres Bild von unseren Gesprächspartnern bekommen wir, wenn wir auf Augenhöhe miteinander sprechen. Manche HR-Verantwortliche provozieren, indem sie Fragen stellen, die bei einem Vorstellungsgespräch gar nicht erlaubt sind. Beispielsweise Fragen nach der Familienplanung, Alkohol- oder Drogenproblemen oder der politischen Orientierung. Selbst wenn es nur ein Test sein soll, raten wir davon unbedingt ab. Tabufragen sind nicht ohne Grund tabu. Zudem benötigt eine erfahrene Personalberatung unserer Meinung nach solche Grenzüberschreitungen nicht.

Schlecht vorbereitet sein
Von Bewerberinnen und Bewerbern wird zu Recht erwartet, dass sie sich für das Unternehmen interessieren, für das sie arbeiten wollen. Aber auch Recruiter sollten zumindest die wichtigsten Stationen der Bewerbungsunterlagen gelesen haben. Wenn dann eventuell noch die Namen verwechselt werden, wirkt das extrem unprofessionell. Sich auf ein Gespräch vorzubereiten, zeugt darüber hinaus ebenfalls von Wertschätzung.

Falsche Versprechen
Gerade was Arbeitsabläufe oder Aufstiegschancen angeht, sollten Personalverantwortliche mit offenen Karten spielen. Denn im Gespräch Homeoffice oder eine baldige Beförderung zu versprechen und dann nicht einzuhalten, ist frustrierend für die Kandidaten. Und letztlich verschwendet man damit viel Zeit, denn wenn der oder die Neue schon nach wenigen Monaten das Handtuch wirft, geht der Bewerbungsprozess von vorne los.

Keine Rückmeldung nach dem Gespräch
Je größer das Unternehmen, desto länger braucht es oft für die Entscheidungsfindung. Doch auch wenn zeitnah noch kein Feedback gegeben werden kann, sollten die Bewerber zumindest immer über den Stand der Dinge informiert sein. Dafür reicht eine kurze E-Mail mit einer Wasserstandsmeldung. Von vielen Kandidatinnen und Kandidaten hören wir, dass es oftmals keine Rückmeldung oder auch keine Absage gibt. Das ist für uns als Personalberater das größte No-Go. Schließlich haben die Kandidaten sich die Mühe gemacht und sich beworben, da können sie zumindest eine Rückmeldung erwarten. Ein solcher Stil schlägt sich auch in den Unternehmensbewertungen nieder. Das Unternehmen verliert also nicht nur ein potenzielles Talent, sondern muss damit rechnen, dass viele andere Fachkräfte aufgrund schlechter Bewertungen erst gar keine Bewerbung schicken.

Passende Artikel